Meisterwerke aus dem Olymp der Violinkonzerte bei ProArte
Wenn es einen Olymp der Violinkonzerte gäbe, wäre der sicher gut bevölkert – immerhin gibt es eine lange Reihe wunderbarer Werke für das traditionsreiche Instrument. Aber ganz oben auf dem Gipfel, da, wo die Luft dünn und der Platz knapp ist, findet sich dann doch nur eine recht überschaubare Anzahl an Meisterkompositionen, die Künstler:innen und Publikum so begeistern, dass ihnen ein dauerhafter Platz unter den meistgespielten und -geliebten Konzerten gebührt. Ein beeindruckend großer Teil von ihnen ist in der Saison 2024/25 bei ProArte zu hören – natürlich dargeboten von den absoluten Stars an Bogen und Saite. Und so wie die antiken Bewohner des mythologischen Olymps hat jedes dieser Werke seinen ganz eigenen Charakter.
Apollon: Felix Mendelssohn
Der Lorbeerkranz des Gottes der Musik und des Lichts gebührt – selbstverständlich, möchte man fast sagen – dem Violinkonzert von Felix Mendelssohn. Schon die ersten Takte, in denen die Solovioline das Hauptthema anstimmt, graben sich mit ihrem eindringlichen Gesang tief ins Herz und ins Gedächtnis ein. Und so geht es auch weiter: Lichtdurchflutet und klassisch ausgewogen bezaubert das Konzert seit seiner Uraufführung vor beinahe 200 Jahren das Publikum.
Manfred Honeck | Anne-Sophie Mutter
Vergangene Veranstaltung
Hermes: Ludwig van Beethoven
Wie bitte? Der „Titan“ Beethoven, gleichgesetzt mit dem unglamourösen, listigen Götterboten? Allerdings! Und das ist alles andere als respektlos gemeint. Hermes war – unter anderem! – Erfinder der Lyra und der Syrinx, Gott der Reisen, des Handels, der Rhetorik, Gymnastik und Magie, Gesetzgeber der Menschen und Beschützer der Seelen, kurz: Irdisch oder überirdisch – an ihm kam man einfach nicht vorbei. Sozusagen der Beethoven unter den griechischen Göttern. Und heute manchmal unterschätzt – so wie Beethoven zu Lebzeiten mit seinem Violinkonzert. Das galt nach der Uraufführung als zu schwer, für die Solisten nicht glamourös genug und irgendwie unübersichtlich, verschwand in der Versenkung und kam erst Mitte des 19. Jahrhunderts zu Ehren. Wie so oft war Beethoven seiner Zeit voraus!
Marie Jacquot | María Dueñas
Zeus: Wolfgang Amadeus Mozart
Auch wenn man die Musik Mozarts kaum mit dem Lärmen des blitzeschleudernden Göttervaters vergleichen kann, gebührt dem Genie aus Salzburg doch zweifellos der erste Rang unter den hier versammelten Komponisten. Insbesondere sein fünftes und letztes Violinkonzert zeugt von einer schier überirdischen Kombination aus perfekter Beherrschung des Instruments – Mozart war selbst ein hervorragender Violinist –, genialer Begabung und einmaliger Inspiration.
Mozarteumorchester Salzburg | Andrew Manze
Sir Antonio Pappano | Lisa Batiashvili
Dionysos: Pjotr Tschaikowsky
Warum Pjotr Tschaikowskys hinreißendes Violinkonzert so gut zum griechischen Gott des Weins passt, liegt auf der Hand. Der erste Satz: rauschhafte Glückseligkeit. Der zweite: beseeltes Singen. Der dritte: ekstatisches Finale. Und beseelt, vielleicht gar ekstatisch war Tschaikowsky zweifellos, als er das zauberhafte D-Dur-Werk schrieb. Einer unglücklichen Ehe entkommen, genoss der Komponist am Genfer See den Frühling – sowie die Gesellschaft seines Freundes (und ehemaligen Schwarms), des Geigers Iosef Kotik. In dieser Atmosphäre von Frieden und landschaftlicher Schönheit schuf er ein Werk, das – als Musik gewordene Lebensfreude – zu Recht zu den ganz großen seiner Gattung zählt.
Vasily Petrenko | Julia Fischer
Hephaistos: Antonín Dvořák
Ein Werk wie ein Vulkanausbruch! Fesselnd vom ersten Moment an, wenn die Violine sich nach einigen dramatischen Orchesterakkorden leidenschaftlich singend in den Himmel schwingt. Das einzige Violinkonzert von Antonín Dvořák ist ein Paradebeispiel für die Verbindung von romantischer Ausdrucksintensität und kompositorischem Handwerkszeug. Passend also zum altgriechischen Gott des Feuers und der Schmiedekunst, der mit seiner Liebe zu Göttin Aphrodite auch eine empfindsame Seite offenbart – obwohl diese Geschichte bekanntlich nicht das beste Ende nahm. Auch das in gewisser Hinsicht eine Parallele zu Dvořáks Violinkonzert: Bis heute wird das klangglühende Meisterwerk – zu Unrecht – neben seinen bekannteren Kompositionen häufig übersehen.
Daniel Harding | Joshua Bell
Herakles: Giovanni Battista Viotti
Hat sich hier etwa ein Halbgott unter den versammelten Vollblut-Olympiern versteckt? Zunächst einmal: Verstecken muss sich der Mozart- und Beethoven-Zeitgenosse Giovanni Battista Viotti natürlich überhaupt nicht. Ähnlich dem legendären Zeus-Sohn musste er sich allerdings aus einfachen Verhältnissen hocharbeiten. Durch Talent allein reüssierte er an den Höfen Europas von Paris über Sankt Petersburg bis London. Mitten in den Wirren von Krieg, Intrige und Revolution schuf er Werke von bestechender Schönheit – und begründete ganz nebenbei die französische Violinschule seiner Zeit. Seine zahlreichen Violinkonzerte beeinflussten Komponisten wie Louis Spohr und Niccolò Paganini, Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms. Letzterer zitierte Viottis 22. Violinkonzert in seinem eigenen und verlieh ihm so – wie Zeus dem Herakles – Unsterblichkeit.
Kammerakademie Potsdam | Antonello Manacorda