Die Gedanken sind frei
Die Pianistin Khatia Buniatishvili

Disziplin ist wichtig, aber im Kopf muss man frei sein, damit Kunst entstehen kann
„Ich mag keine Dogmen.“ „Disziplin ist wichtig, aber im Kopf muss man frei sein, damit Kunst entstehen kann.“ „In Paris fühle ich mich als Kosmopolitin und bin nicht in meiner künstlerischen Freiheit begrenzt.“ Erlebt man Khatia Buniatishvili im Gespräch oder auf der Bühne, wird eines deutlich: Freiheit ist für die georgisch-französische Pianistin das höchste Gut. Die Freiheit, ihre Meinung zu äußern, auch wenn sie unbequem sein mag. Die Freiheit der Interpretation in der Musik. Aber auch die Freiheit, sich zu kleiden, wie es ihr gefällt, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.
Horizonterweiterung
Individualität des Ausdrucks war immer ihre oberste Maxime. Während andere Kinder Popmusik hören, zählt Khatia bereits als Achtjährige Mozarts Requiem zu ihren Lieblingsstücken. Klassische Musik und Literatur sind für das hochbegabte Mädchen Trauminseln, auf die es sich zurückzieht. Erwachsene feiern die junge Pianistin, die mit sechs zum ersten Mal mit Orchester auftritt, als Wunderkind. Sie selbst empfindet sich zu der Zeit als „Monster“, wie sie später selbstironisch zugibt. Eine Gleichgesinnte findet sie schon damals in ihrer Schwester Gvantsa, die bis heute als Ratgeberin und manchmal auch als Duopartnerin an ihrer Seite ist. Die beiden Schwestern erhalten jegliche Unterstützung von ihren Eltern, die man sich wünschen könnte, doch irgendwann wird die georgische Heimat zu eng für das außergewöhnliche musikalische Talent der Töchter. Auf Studienjahre in Wien folgt der Umzug nach Paris. Für Khatia Buniatishvili aus Batumi am Schwarzen Meer ein gelebter Traum. Die junge Musikerin saugt die inspirierende Atmosphäre der Großstadt auf wie ein Schwamm. Mit der realen Horizonterweiterung geht die Weitung des künstlerischen Horizonts einher. Und zu den vier Sprachen, die sie ohnehin bereits fließend spricht – Georgisch, Russisch, Deutsch und natürlich Englisch –, gesellt sich noch eine fünfte hinzu: Französisch.
- Freitag, 12. Dezember 2025 | 19:30 Uhr | Laeiszhalle, Großer SaalKhatia Buniatishvili
Werke von Mozart, Liszt, Schubert u.a.
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Die Konzertveranstalter und Medien, die stets auf der Suche nach neuen Talenten sind, reißen sich um die unkonventionelle Musikerin, die nicht mit Bach oder Beethoven ihr preisgekröntes Album-Debüt bei Sony präsentiert, sondern ihren eigenen Weg wählt: Auf Chopin und Liszt folgen mit Motherland, Kaleidoscope und Labyrinth drei Konzeptalben mit höchst persönlichen Zusammenstellungen von Werken. Daneben sind es vor allem zwei Komponisten, die sich regelmäßig in ihren Programmen finden: Rachmaninow, dessen mit allen technischen Raffinessen gespickte Monumentalwerke ihr aus den Fingern fließen, als wäre es nichts, und – in größtem Kontrast dazu – Mozart, der sie seit ihrer Kindheit begleitet, und nach dessen Einfachheit sie immer wieder strebt. Einen Widerspruch sieht sie darin nicht: „Beide sind geniale Komponisten und haben einen festen Platz in unserem Leben.“
Ich möchte meine Liebe zur klassischen Musik teilen. Das ist meine Botschaft.
Verbindendes Element ist dabei stets der persönliche Ausdruck – es gibt derzeit wohl kaum andere Musiker:innen, die ihre Emotionalität so offen zeigen wie Khatia Buniatishvili: Sie dirigiert mit, wiegt sich im Rhythmus, lässt Schmerz und Freude als Spiegel ihrer inneren Regungen auf dem Gesicht aufscheinen. Das Publikum liebt sie dafür, und Kritikern, die ihre Leidenschaftlichkeit als Inszenierung bezeichnen, begegnet sie mit entwaffnender Ehrlichkeit: „Ich möchte meine Liebe zur klassischen Musik teilen. Das ist meine Botschaft.“ Dass sie bei der Verbreitung dieser Botschaft nicht mit jedem anderen Künstler die Bühne teilen möchte, ist weiterhin Zeichen ihrer starken Persönlichkeit – Musiker, die sich vor den Karren der russischen Politik spannen lassen, sind für Khatia Buniatishvili als Georgierin und als jemand, der sich für Kinder- und Menschenrechte einsetzt, inakzeptabel.
Und wenn sie immer wieder danach gefragt wird, welche Rolle ihre spektakulären Kleider spielen, die jedem Blitzlichtgewitter auf dem roten Teppich standhalten würden, erwidert sie geduldig: „Keine!“ Denn bestimmt sind sie Teil ihrer Individualität, aber einen Einfluss auf ihre Kunst haben sie nicht.
- Dienstag, 24. März 2026 | 20:00 Uhr | Elbphilharmonie, Großer SaalOrchestre de la Suisse Romande
Jonathan Nott | Khatia Buniatishvili
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- Montag, 11. Mai 2026 | 20:00 Uhr | Elbphilharmonie, Großer SaalKhatia Buniatishvili
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